Damjen Lajic

Damjen Lajic portrait project: drinnen

Es war nicht schwer, Damjens Atelier zu finden. Ich wusste, dass es sich um ein großes Gebäude handelte, da er und seine Familie beschlossen hatten, eine alte Grundschule zu kaufen um dort nicht nur zu wohnen, sondern auch die Arbeitsräume für Damjen und seine Partnerin einzurichten. Vor dem Gebäude konnte ich Skulpturen sehen, und ich wusste, dass ich am richtigen Ort war. Damjen zeigt mir durch das Fenster, wo ich eintreten kann, eine Tür, die direkt in sein Atelier führt. Drinnen erwarten mich Skulpturen in Arbeit, Skizzen und jede Menge Werkzeug. Ich hatte das Gefühl, dass das ganze Atelier von der grauen Farbe des Steins, mit dem er arbeitet, dominiert wird. In einem Teil des Ateliers befindet sich eine Galerie, in der er einen Kaffee zubereitet, der uns bei einem Teil unseres Gesprächs begleiten wird, bevor wir zu den Fotos übergehen. Damjen Lajic erzählt mir unter anderem, wie er dazu kam, sein Atelier in einer Schule einzurichten, wie er zur Arbeit mit Skulpturen kam und warum.

Wann hast du angefangen, dich für Kunst zu interessieren? Wann wusstest du, dass du vielleicht etwas mit Kunst machen möchtest?

Ob das am Ende Kunst ist oder nicht, da denke ich nicht drüber nach.

Wenn ich jetzt meine alten Zeugnisse aus den Schulen lese, von ganz früher, der ersten bis vierten Klasse, da gab es bei uns noch keine Noten, sondern immer eine Erklärung vom Lehrer. Wenn ich die lese, stand da damals schon, dass das Interesse am Zeichnen und Gestalten bereits immer groß gewesen ist. Ich differenziere nicht wirklich zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Design. Jede Art von Gestaltung ist für mich Kunst oder eben keine Kunst. Es ist im Grunde egal. Für mich war es schon immer wichtig zu gestalten und ich kann alles gestalten, was ich will: ein Auto, ein Haus, eine Skulptur. Für mich ist das alles eins. Ob das am Ende Kunst ist oder nicht, da denke ich nicht drüber nach.

Hast du etwas mit Kunst studiert?

Gar nichts.

Wie kam es zu deinem Interesse an deinem gegenwärtigen Arbeitsmaterial?

An Stein? Das ist schon ein Prozess gewesen. Ich habe lange überlegt: wo willst du hin, welchen Beruf willst du in deinem Leben erlernen? Dann habe ich angefangen zu studieren, was mir aber zu theoretisch war. Ich habe dort nur rumgesessen. Das hat mir überhaupt nicht gefallen. Graphikdesign und Kunst war das. Da habe ich damit angefangen oder mich zumindest sehr dafür interessiert.

Die Idee war, Wissen für das Studium anzusammeln. Aber gleichzeitig habe ich in diesen Vorbereitungskursen gesessen und gedacht: hier werde ich nicht glücklich. Es bis in die Tiefe zu erzählen führt zu weit, aber zu der Zeit gab es für Künstler keine klassische Ausbildung. Worauf es ankam, war der freie Geist, den man brauchte um Kunst zu studieren. Das war wichtiger als das Können, was dahinterstand. Natürlich musste man eine Mappe machen, aber es gab nicht die traditionelle Ausbildung. Auch heute gibt es die in Deutschland nicht. Für mich war der klassische Bezug aber immer wichtig. Wenn ich vor einer Kirche stehe, sehe ich die Klassik, die Gotik oder die Renaissance und das, was handwerklich dahintersteht. Das hat mich immer viel mehr interessiert als Künstler zu sein, der aus sich heraus etwas schafft. Das war nicht mein Interesse.

Mir wurde klar, dass ich, bevor ich etwas studiere, ein Handwerk erlernen muss. Etwas mit den Händen, etwas Ehrliches, etwas Bodenständiges, um auch geerdet zu sein. Ich war damals etwas verrückt. Da hat es mir sehr gut getan, Dinge zu tun, die ich anfassen kann. Diese theoretische Behandlung eines Themas im Studium, das war nicht meins.

Wann wusstest du, dass du das tun willst, was du heute tust?

Als junger Mann habe ich lange darüber nachgedacht, was ich machen will. Für mich war klar, dass ich etwas mit Handwerk und Gestaltung machen möchte. Ich hätte zum Beispiel auch Tischler oder Möbelbauer werden können. Das wäre auch ein Weg gewesen, aber der hat sich nicht gut angefühlt. Die Möbelbauthematik war mir zu einseitig und dann gab es tatsächlich einen Moment, wo mich eine Hand aus dem Himmel berührt hat, eine Eingebung. Ich stand vor einer Kirche mit Schmuck und Dekoration an der Fassade, diese Kirche habe ich bis zu diesem Moment immer als selbstverständlich wahrgenommen. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass ich den gotischen Wasserspeier in Stein hauen könnte, ich selbst, und dann kam der Moment, wo ich dachte: Steinmetz - das kann man lernen. Das habe ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, beziehungsweise hatte ich es nicht präsent. Das war der Moment, wo ich vor der Kirche stand und dachte: das will ich lernen. Das muss 89/90 gewesen sein. Von da an wollte ich Steinmetz und Steinbildhauer werden und habe das streng verfolgt. Ich bin groß geworden in diesem Beruf innerhalb dieser Restaurierungsmaßnahmen, wo es um klassische Bildhauerei geht, um das Kopieren einer gotischen oder barocken Figur oder Ähnlichem. Aber ich habe nebenbei auch immer frei gearbeitet und gestaltet.

Hattest du die Unterstützung deiner Eltern für das, was du tun wolltest?


Mein Vater ist Jugoslawe, meine Mutter Deutsche. Meine Eltern kommen aus der Arbeiterschicht und mein Vater hätte es viel lieber gehabt, wenn ich auch Arbeiter geworden wäre. Nun habe ich einen klassischen Handwerksberuf erlernt und er war auch sehr glücklich darüber, dass ich als Handwerker arbeite. Da muss man nicht unterstützt werden, weil man fünf oder sechs Jahre studiert, sondern man arbeitet und verdient Geld. Ich bin ein bisschen aus der Art geschlagen. Kein klassischer Künstler, kein klassischer Handwerker. Meine Eltern fanden es immer okay was ich mache, aber es ist nicht so, dass sie damit so richtig viel anfangen können.

Wie kommt man auf die Idee, eine alte Grundschule in Beckedorf zu kaufen und sie in ein Atelier und Wohnhaus umzuwandeln?

Wir haben in Hannover gelebt und länger überlegt, dass wir Leben und Arbeiten unter einem Dach verbinden wollten. In der Stadt selber sind die Preise aber sehr hoch. Das gleiche Projekt in der Stadt kostet 2,5 Millionen und ist somit für uns nicht umsetzbar. Wir haben was gesucht, was auch eine alte Werkstatt oder ein alter Bauernhof hätte sein können, einfach etwas, wo es Platz gab. Der Suchradius um Hannover ist dabei immer größer geworden, denn du suchst und suchst und es ist nicht einfach etwas zu finden, also schaust du dich immer großflächiger um und die Suche wird immer spezieller. Wenn du eingibst „besondere Häuser, besondere Liegenschaften“, dann kommst du online sehr schnell auf alte Kirchen, alte Schulen, alte Fabriken. Also das, was eigentlich keiner haben will. Da wird es dann interessant, weil diese Immobilien günstig sind. Da ist im Optimalfall niemand, der sein privates Geld verhandelt, sondern wie in unserem Fall eine Kommune, die Gemeinde, die das Geld verhandelt. Das ist also nicht das eigene Portemonnaie einer Privatperson und das ist eine gute Ausgangsbasis, um einen fairen Preis zu erzielen. Hier hat es funktioniert.

Damjen Lajic - portrait project: drinnen

Musstest du erst ein Baukonzept vorlegen?

Man musste der Gemeinde ein Konzept schreiben, weil sie natürlich wissen will, was mit dem Gebäude passiert. Bei der Schule war es wichtig, dass es einen öffentlichen Charakter behält. Wir bieten hier Workshops an, Events, eine Hausmesse, wo wir gezielt Leute einladen. Jeder kann teilnehmen. Zu mir in die Werkstatt kommen auch öftern Kunden, die Grabsteine oder Ähnliches in Auftrag geben wollen. Das ist natürlich schwierig, weil ich hier nur Skulpturen, Figuren, ein bisschen Restauration und klassische Bildhauerei betreibe. Das dauert oft einen Moment, bis die Leute verstehen, dass das hier nicht eine herkömmliche Steinmetzwerkstatt ist, wo es Küchenplatten oder Arbeitsplatten oder Vergleichbares gibt.

Es ist ein sehr großes Gebäude. Hattest du irgendwelche Befürchtungen, Ängste oder Zweifel, als du dich entschlossen hast es zu kaufen?

Das Gebäude ist schon sehr groß. Angst ist das falsche Wort, aber natürlich überlegt man genau. Es ist dein Lebensmittelpunkt, den du von der Stadt in das Dorf verlegst. In Deutschland in einem Dorf zu leben, bedeutet natürlich etwas Anderes als in einer Stadt zu wohnen. Dieser Gedanke war eigentlich schwieriger als das Gebäude selbst. Wenn du eine Idee hast, dann gehst du mit ihr los, findest das Gebäude und dann entwickelt sich eine Vision. Zuerst hast du die Idee. Hätten wir einen Bauernhof gefunden, wäre die gleiche Idee zu einer anderen Vision geworden.

Damjen Lajic - portrait project: drinnen

Wie wichtig ist dein Atelier für dich?

Das Atelier ist mein Leben. Ich würde sagen neben meiner Familie ist es das Wichtigste für mich. Für meine Kinder würde ich alles stehen und liegen lassen, aber mein Leben, so wie es derzeit ist, dreht sich um die Arbeit und daher ist das Atelier in dem ich ja auch wohne, sehr wichtig für mich.

Wie viel Zeit verbringst du in deinem Atelier?

Ich versuche mich so zu organisieren, dass ich arbeite wie ein Arbeitnehmer, der jeden Tag acht Stunden zur Arbeit geht. Diese Zeit versuche ich hier jeden Tag effektiv mit Hammer und Meißel zu arbeiten. Die anderen Dinge, die auch noch erledigt werden müssen, wie etwa Akquise betreiben, Rechnungen schreiben, Telefonate führen, Termine machen versuche ich nach diesen acht Stunden zu machen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, wegen der Familie. Meine Frau findet es nicht lustig, wenn ich zu viel arbeite. Daher muss mein Tag sehr gut strukturiert sein.

Welche Vor- und Nachteile hat es, wenn sich dein Atelier im selben Gebäude befindet?

Uns war es sehr wichtig Leben und Arbeiten an einem Ort zusammenzubringen, da wir beide eigentlich den ganzen Tag lang arbeiten. Wenn du es schaffst, dass dein Arbeitsort dort ist, wo du lebst, hast du den ganzen Tag damit zu tun und deine Familie trotzdem um dich. Meine Tochter ist 18, mein Sohn ist acht und er wächst hier zwischen zwei Werkstätten auf. Wenn das nicht so wäre, dann würde ich ihn viel weniger sehen. Aber dadurch arbeitet man natürlich automatisch viel mehr, als wenn Arbeitsplatz und Wohnen getrennt wäre. Es gilt also hier klare Grenzen zu ziehen und das ist gar nicht so einfach. Da bin ich immer noch dabei, das zu lernen. Grundsätzlich ist es für mich aber wirklich ein tolles Gefühl, nicht zur Arbeit fahren zu müssen.

Was ist für dich wichtiger: der Prozess oder das Endprodukt?

Das ist eine wirklich schwierige Frage und lässt sich für mich nicht getrennt voneinander betrachten, da der Prozess immer dazu gehört. In jedem Fall hat der Prozess bei der Steinbildhauerei immer etwas Meditatives. Wenn man etwas aber professionell betreibt, ist die Meditation dabei nicht mehr so wichtig, weil man effektiv arbeitet um sehr konzentriert zum Ziel, also zum Endprodukt, zu gelangen. Insofern ist das Endergebnis immer wichtig, denn darum geht es letztendlich. Dieses Endprodukt möchte und muss ich verkaufen. Es muss gut sein und das ist mein Ziel. Aber der Prozess, der meditative Arbeitsweg, hat etwas sehr Beruhigendes. Was bei anderen Leuten vielleicht das Joggen auslöst, das löst bei mir die konzentrierte Arbeit am Stein aus: man denkt nichts, weil man in einer Art meditativen Prozess ist und das ist sehr schön. Daher geht es natürlich für mich auch um den Prozess.

Interessieren sich die Menschen, die sich deine Arbeiten ansehen oder ein Kunstwerk von dir gekauft haben, für den Prozess?

Das ist eine Sache, die man nicht verallgemeinern kann. Die Leute, die bei mir etwas kaufen, denen ist sehr bewusst, dass sie etwas aus Stein kaufen. Mit diesem Bewusstsein für den Stein geht auch eine Idee von dem hohen Arbeitsaufwand einher. Die Kunden wissen vielleicht nicht, wie lange die Arbeit gedauert hat oder wie schwer es ist, aber sie haben ein Gefühl dafür. Diejenigen, die bereit sind für meine Arbeiten Geld auszugeben, identifizieren sich auch mit den Arbeiten. Sie wissen, dass viel Mühe in ihnen steckt. Wenn sie das nicht wüssten, würden sie wohl auch nichts kaufen, weil es ihnen zu teuer wäre. Die Produkte kosten viel Geld und wenn man das vergleicht, findet man am Ende immer etwas, was so ähnlich aussieht und vielleicht nur die Hälfte kostet. Wenn es einem nicht wichtig wäre, dass es aus Stein ist, würde man die billigere Variante aus Plastik oder aus Holz kaufen.

Gibt es Menschen die daran interessiert sind deinen Arbeitsplatz und deine Arbeitsweise kennen zu lernen?



Das kommt sehr oft vor. Manchmal kommen Kunden einfach nur vorbei um zu gucken, ohne die Absicht, etwas zu kaufen. Es ist schwierig, wenn das zu oft passiert, weil man natürlich auch für diese Art von Besuch Zeit investiert. Grundsätzlich bin ich aber sehr offen, den Menschen etwas zu zeigen. Unabhängig davon, ob sie etwas kaufen möchten oder nicht.

Arbeistest du mit einem Skizzenbuch?

Na klar habe ich ein Skizzenbuch in das ich viel zeichne. Es erstaunt mich immer, wie wenig ich von diesen Ideen bisher realisiert habe.

Was bedeutet es für dich Künstler zu sein?

Ich habe eine ziemlich präzise Definition für Kunst – was Kunst für mich bedeutet. Das kann man nicht in ein oder zwei Sätze packen. Michelangelo ist für mich kein Künstler im heutigen Sinne. Er ist natürlich ein Jahrtausend-Genie, aber wenn du jetzt Kunst machst, dann finde ich das, was er gemacht hat, in Bezug auf Kunst schwierig. Das ist ein sehr komplexer Gedanke. Ich würde es viel lieber so sehen, dass alle Künstler sind und nicht jemand Spezielles, der zu sich selber sagen darf: Ich bin Künstler. Mit dem Anspruch wirklich besonders zu sein und Kunst zu machen, gehe ich nicht an meine Arbeit. Ich arbeite aus mir heraus und bin wirklich impulsiv oder auch pragmatisch. Ich muss Geld mit meiner Arbeit verdienen. Das alles spielt eine Rolle und ob das am Ende Kunst ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen

Wie lange hat es gedauert das Haus-Atelier-Projekt aufzubauen?

Bevor wir hier gewohnt haben, haben wir die Werkstatt fertig gemacht. Es ging dann aber relativ schnell. Bis alles abgerissen, rennoviert oder umgebaut war, sodass man in dem Gebäude wohnen und arbeiten konnte, hat es etwa 1,5 Jahre gebraucht. Jetzt können wir hier wohnen und arbeiten aber die Umgestaltung geht noch weiter. Jetzt kommen die Ideen mit den Messen, Hausmessen, Ausstellungen dazu und dafür braucht man auch wieder ein Umfeld, das dementsprechend verändert wird, damit es funktioniert. Das ist viel Arbeit.


Text: Janine Ahmann

Bilder: Irving Villegas

Janine Ahmann, geboren 1990, studierte Philosophie, Germanistik und Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster und Venedig sowie Deutsch als Fremdsprache über das Goethe Institut. Seit 2010 war sie in verschiedenen Positionen am Theater und an der Universität Münster tätig, kuratierte die Bereiche Musik und Bildende Kunst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und war von 2020-2023 als Referentin der Intendantin an der Staatsoper Hannover beschäftigt. Seit Beginn ihres Studiums liegt ein Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Verfassen wissenschaftlicher, literarischer und journalistischer Texte. Zusammen mit Irving Villegas veröffentlichte sie zuletzt 2021 die Geschichte über die Einsamkeit während der Corona-Pandemie in Mexiko in der Chrismon.

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko geboren, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.

Irving Villegas

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko geboren, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.

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