Klaus Effern

Klaus Effern - drinnen

Es war einer dieser kalten Tage: Die Straßen waren vereist und die Schwere des Winters hing in der Luft. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie Klaus' Atelier sein würde. Er hatte mir lediglich geschrieben, dass ich mich warm anziehen solle, da es im Atelier keine Heizung gäbe. Sein Atelier befindet sich in einem Industriegebiet in Bremen. Dort angekommen finde ich rasch das Gebäude mit der richtigen Nummer. Nur die Tür ist nicht so leicht zu entdecken, durch die es hineingeht. Sekunden nach dem Klingeln öffnet sich langsam ein Garagentor. Ich erwarte ein Auto, aber mir wird schnell klar, dass es Klaus ist, der mir entgegentritt. Klaus ist ein sehr freundlich dreinblickender Mann mit guter Laune, die ansteckend ist. Mit ihm fühle ich mich direkt wohl, denn er strahlt eine gute Energie aus. Wir gehen durch die Halle, die in verschiedene Werkstätten unterteilt ist. In mehreren Fällen besteht diese räumliche Unterteilung aus Holz, was auf den ersten Blick wie eine sehr einfach Konstruktion aussieht. Aber die Leute, die dort arbeiten, kennen sich im Handwerk aus, also vertraue ich auf ihre Sicherheit. Bald erreichen wir Klaus' Atelier, über dessen Eingang mehrere von ihm gefertigte große Holzfiguren trohnen, die nur auf uns zu warten scheinen oder vielleicht auch den Eingang der Werkstatt bewachen. In der Mitte seines Raumes befinden sich zwei weitere etwa 2,50 Meter hohe Holzfiguren, an denen Klaus derzeit mit anderen Materialien experimentiert. Es stimmt: Es gibt keine Heizung hier und da es sich um einen offenen Raum handelt, ist die Kälte deutlich zu spüren. Durch die körperliche Arbeit sei diese aber gut zu ertragen, berichtet mir Klaus. Er setzt sich auf den einzigen vorhandenen Sessel in der Werkstatt, hinter dem sich eine Menge Werkzeug, verschiedene Arten von Holz, eine Leiter und andere Materialien tummeln. Auf dem Boden, der mit Sägemehl übersät ist, liegt eine an einem langen Kabel angeschlossene Kettensäge. Dieses Bild ist für meine Augen gerade zu fesselnd. Ich merke sofort, dass dies der perfekte Moment für das erste Foto ist. Das aus dieser Situation entstandene Porträt mag ich sehr, vielleicht weil es so natürlich ist, weil ich Klaus nicht gesagt habe, wo er sich hinsetzen oder was er tun soll. Es ist in einem spontanen Augenblick entstanden, der so jeden Tag in seinem Atelier passieren könnte.

Wie immer sprechen wir bei einem Kaffee über viele verschiedene Dinge: Was Klaus in seiner künstlerischen Laufbahn erlebt hat, über seine Zeit in Berlin, wie er nach Bremen zurückkehrte und sich entschloss, hier zu bleiben, über seinen Arbeitsprozess und nicht zuletzt über die Bedeutung, die er seinem Atelier und der Kunst beimisst.

Wie und wann hast du angefangen, dich für Kunst zu interessieren?

Das war bereits sehr früh – ich hatte einen wirklich tollen Kunstlehrer in der Schule, der uns vergessen lassen hat, dass wir während seines Unterrichts in der Schule sind. Durch die Begegnung mit ihm habe ich mich entschlossen, mein Abitur in Kunst zu absolvieren. Das war in den 80er Jahren, in denen als junger Mensch in Deutschland alles möglich schien. Ich war aber nach dem Abitur unsicher, was genau ich eigentlich machen wollte. Klar war mir nur, dass ich weder die Position meines Vaters in seiner Firma übernehmen, noch einen Schreibtischjob machen wollte. Kurz dachte ich, dass ich Malerei studieren könnte aber dafür war ich nicht gut genug und habe mich dann entschlossen für eine dreijährige Ausbildung auf die Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei zu gehen. Der Fokus der Ausbildung lag dabei sowohl auf Kunst, Handwerk aber auch auf dem Kunsthandwerk. Ich habe während dieser Zeit gelernt Aktzeichnungen zu malen, in Holz zu schnitzen und in Ton zu modellieren. Im Anschluss an die Lehre habe ich mich in Bremen an der Hochschule für Bildhauerei beworben und bin angenommen worden.

Wie war es für deine Familie zu erfahren, dass du dich der Kunst widmen willst?

Mein Vater hätte mich gerne als Nachfolger in seiner Firma gehabt aber ich habe sehr früh signalisiert, dass das für mich nicht in Frage kommt. Für ihn war das in Ordnung und auch meine Mutter hat mich auf meinem Weg immer unterstützt. Sie hatten beide das Vertrauen, dass ich das für mich Richtige mache. Nach dem Studium war ich für drei Jahren in Berlin, wo ich mich mit sehr wenig Geld durchgeschlagen habe. Selbst in dieser Zeit haben mich meine Eltern nie unter Druck gesetzt, sondern stets darauf vertraut, dass ich meinen Weg finden werde.

Wann hast du dich für die Arbeit mit Holz entschieden?

Bevor ich auf die Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei gegangen bin, hatte ich kaum Erfahrung mit Holz gesammelt. Ich mochte das Material zwar seit meiner Kindheit, da wir einen Holzofen zu Hause hatten und ich für diesen oft Holz hacken musste, aber ehrlich gesagt, wurde ich zu Beginn meiner Lehre ins kalte Wasser geworfen. Man brauchte für die Aufnahmeprüfung für die Lehre keinen Schulabschluss und mit meinem Abitur in Kunst ging ich davon aus, dass ich es mit Links schaffen würde und nach der Zeit dort mit der großen Kunst beginnen würde. Bei der Aufnahmeprüfung habe ich dann sehr schnell gemerkt, dass die anderen Prüflinge bereits sehr viel mehr Erfahrung und Wissen in Bezug auf die Arbeit mit Holz aufweisen konnten als ich. Das hat mich dann schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Arbeit mit dem Material Holz hat mir dann aber sehr gut gefallen und ich wollte die Arbeit damit unbedingt lernen. Ein Schwerpunkt meiner Ausbildung habe ich daher auch auf das traditionelle Handwerk mit Holz gelegt, mit dem ich mich auch heute immer noch intensiv auseinandersetze.

Wie stehst du heute zu deinem favoisierten Material Holz?

Während meiner Lehre habe ich sehr schnelle die Vorteile von Holz kennengelernt. Anders als Ton oder Gips weißt es eine hohe Widerstandsfähigkeit auf, lässt sich gut transportieren und die Arbeit an diesem Material kann über einen langen Zeitraum erfolgen, da es nicht bröselt und man immer wieder etwas hinzufügen oder wegnehmen kann. Das ist toll und genau so sehe ich es auch heute noch.

Klaus Effern - drinnen

Wann hattest du dein erstes Atelier?

Nach dem Studium bin ich nach Berlin gezogen, wo ich relativ schnell einen kleinen aber sehr guten Raum zum Arbeiten in der Sonnenallee gefunden habe. Diese habe ich dann gemeinsam mit einem Freund gemietet und als Atelier genutzt. Da die Miete recht hoch war, haben wir immer wieder ein oder zwei weitere Künstler mit in die Räume einziehen lassen, die regelmäßig gewechselt haben. Um mein Leben in Berlin finanzieren zu können, habe ich aber auch immer noch ich diverse Jobs machen müssen.

Was für Jobs hast du während deiner Zeit in Berlin gemacht?

Ich erinnere mich noch gut, dass ich zuerst mit einem kleinen Bus Getränke ausgeliefert habe. Das war jedoch gerade deshalb schwierig, weil ich die Stadt noch nicht besonders gut kannte. Später habe ich dann in einem Buchverstand am Fließband gearbeitet und zum Ende meiner Zeit in Berlin hatte ich einen Job in einer Bronzegießerei. Ehrlich gesagt habe ich während der ganzen Zeit in Berlin aber nicht eine einzige künstlerische Arbeit von mir verkauft.

Du hast mir erzählt, dass das Leben in Berlin nicht so war, wie du es erwartet hattest. Was war der Grund?

Berlin ist eine tolle Stadt zum leben aber ich hatte während meiner Zeit dort wenig gute Freunde. Ich kam frisch von der Hochschule und befand mich künstlerisch in einer Phase, in der ich eine neue Reihe von Skulpturen entwickelt habe. Damals hatte ich sehr viel Lust und Energie, dies in der wenigen freien Zeit, die ich hatte, voranzutreiben aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt nichts, mit dem ich eine Ausstellung hätte organisieren können, geschweige denn, etwas zum verkaufen. Natürlich lernt man wahnsinnig schnell Menschen in Berlin kennen aber man verliert den Kontakt auch genau so schnell wieder – alles war damals sehr unverbindlich und ohne festes Netzwerk ist es schwierig Fuß zu fassen in der Berliner Kulturszene.

Hast du dich deshalb für den Umzug nach Bremen entschieden?

Während eines Jobs für ein Stein-Symposium an der Hochschule in Bremen habe ich mich in eine junge Studentin verliebt. Ungefähr zur gleichen Zeit bot mir ein Freund ein besseres Atelier in Bremen an und ich bekam ein Jobangebot in der Bildhauerwerkstatt der JVA Bremen. Ich musste also praktisch unweigerlich zurück in diese Stadt, da in Berlin alles eh nicht so gut lief. Es waren glückliche Zufälle, die zu diesem Moment zusammengekommen sind und während ich in Berlin immer dachte: Ich kämpfe noch ein oder zwei Jahre, bis ich Erfolg habe, kannte ich in Bremen bereits sehr viele Leute, hatte und habe tolle Kollegen und Kolleginnen hier. Es ist ein sehr familiäres und kollegiales Miteinander ohne diesen hohen Konkurrenzdruck, wie du ihn in Berlin oder anderen Städten hast. Das Netzwerk ist einfach sehr viel stärker. Man hilft sich untereinander und ich habe es nie bereut, wieder hier her gekommen zu sein. Ich bin in dieser Stadt wirklich zu Hause – als Mensch und als Künstler.

Es war also Zufall, dass du dein Atelier hier in Bremen bekommen hast?

Es ist mir damals von meinem Freund Ossi angeboten worden. Wie ich schon sagte: In Bremen kennt jeder jeden. Ich glaube in unserem ehemaligen Atelier war kurz die Bildhauerklasse der Hochschule untergebracht, bevor sie am Hafen neue Räumlichkeiten bekommen haben. Ehemalige Studenten durften dann die alten Räume übernehmen und in diesem Zusammenhang wurde ich gefragt, ob ich mit einziehen wollte. Das war ein glücklicher Zufall.

Es gibt doch aber auch sicherlich Nachteile in Bremen zu arbeiten und zu leben, oder?

Bremen hat den ganz großen Nachteil, dass man seine Kunst hier nicht gut verkaufen kann. Es gibt hier keine großen Sammler oder Galerien. Ich selbst habe eine kleine Galerie hier in der Stadt aber der Verkauf meiner Produkte dort läuft eher mäßig. Es gibt einige Leute mit viel Geld hier aber die halten sich sehr bedeckt.

Wie kam es, dass ihr aus dem Atelier raus musstet?

Ein Investor hat das gesamte Gelände aufgekauft und baut dort jetzt ein Gewerbegebiet, weshalb wir raus mussten. Er hat uns zwar angeboten zu bleiben, aber wenn er alles renovieren und verkaufen will, dann müssten wir sicherlich das doppelte oder dreifache zahlen und das hätte für uns definitiv keinen Sinn mehr gemacht. Es war klar, dass die Zeit dort für uns zu Ende war. Ich erinnere mich aber immer noch gerne zurück: Wir hatten dort ein Außengelände, wo wir machen konnten, was immer wir wollten, ohne jemanden zu stören. Auf der einen Seite war die Bahnstrecke, auf der anderen Seite die Hochstraße – wirklich ein toller Ort.

Wie ging es dann für Dich weiter? War es schwierig, ein neues Atelier zu finden?

Zusammen mit meinem Freund Markus habe ich damals nach neuen Räumlichkeiten gesucht und uns war klar, dass diese nicht zu klein sein durften, da wir neben einem Arbeitsplatz auch eine Lagermöglichkeit brauchten. Gerade als Bildhauer ist es schwierig, einen geeigneten Raum zu finden, da die Arbeit nun mal einfach lauter ist, als die eines Malers. Wir haben dann diesen Ort gefunden, an dem heute unser Atelier ist. Bevor wir einziehen konnten, mussten wir aber erst einmal den Vermieter überzeugen, dass wir ausreichend Platz bei geringer Miete brauchten. Und siehe da: Es hat tatsächlich geklappt. Aber auch in Bremen ist es viel schwieriger geworden, einen geeigneten Platz zu finden. Zum einen weil es weniger Räumlichkeiten gibt, zum anderen weil die Mieten auch hier gestiegen sind. Wir selbst zahlen hier gar keine richtige Miete, sondern nur die Nebenkosten und die sind bereits sehr hoch. Der Eigentümer dieses Grundstückes ist der Chef einer Windkraftfirma, der das Areal hier zu einem neuen Stadtviertel umbauen möchte. Es soll eine Schule, Gewerbe usw. hier entstehen. Er hat bereits damit begonnen, an verschiedenen Stellen großflächig zu bauen und in absehbarer Zeit werden die Arbeiten dann bei unserer Halle ankommen. Bis dahin wollen wir hier eine Lobby für bezahlbare Mieten für die Arbeitsorte der Künstler und Künstlerinnen in diesem Stadtviertel aufbauen.

Klaus Effern - drinnen

Welche anderen Ateliers gibt es hier in der Halle?

Außer uns gibt es hier noch Tischler, einen Glaser, Automechaniker, Maler und diverse andere Künstler.

Fühlst du dich hier wohl?

Die Atmosphäre ist wirklich gut. Man trinkt bei Zeiten gemeinsam Kaffee, kommt ins Gespräch und tauscht sich aus. Ich komme wirklich sehr gerne hierher.

Was ist für dich in deiner künstlerischen Arbeit wichtiger: der Prozess oder das Endprodukt?

Das ist eine wirklich gute Frage. Am Schluss steht das fertige Produkt und wenn das nicht gut ist, muss weiter an ihm gearbeitet werden. Das Ziel ist also das Endprodukt aber der Weg dahin ist das prozesshafte Arbeiten, welches im Endprodukt meiner Meinung nach ein Stück weit ablesbar sein sollte. Natürlich gibt es immer Arbeiten, bei denen der Prozess kaum oder gar nicht mehr sichtbar ist aber dieser wohnt jeder einzelnen Arbeit dennoch inne. Meine Arbeiten werden nicht am Schreibtisch geplant, sondern entstehen im Prozess anhand einer Idee mit den ausreichenden Freiräumen, Dinge auch noch in der Entstehung verändern zu können.

Woher weißt du, wann eines deiner Kunstwerke fertig ist?

Dieses Wissen hat sich in den letzten Jahren definitiv verschoben. Früher war mir klarer, wann etwas fertig ist, da ich konkrete Vorstellungen davon hatte, wie meine Werke aussehen sollen. Ich wollte z.B. eine Frau mit einem Mops in der Hand gestalten und habe mich an der Idee abgearbeitet. Heute sind meine Ideen offenere und die Werke entstehen mehr im Prozess – daher ist der Abschluss nicht mehr so einfach absehbar. Auch der Umgang mit Farben hat sich verändert. Früher waren alle meine Arbeiten monochrom. Mir war wichtig, dass die Hölzer einfarbig waren und auf den Betrachter ruhig wirkten. Bei einigen Arbeiten mochte ich es auch, wenn die Optik eher der von Plastik entsprach. Heute sehe ich das anders und empfinde die Holzästhetik als etwas sehr schönes und kombiniere das Holz gerne mit anderen Materialien.

Würdest du sagen, dass du heutzutage mehr Freude am Experimentieren hast?

Definitiv. Ich habe mich aus der Phase, in der ich nur einem Stil gefolgt bin, wieder heraus gearbeitet. Die Methode selbst habe ich nicht abgelegt aber den sehr strengen Stil. Ich bin freier geworden und experimentiere wieder mehr. Natürlich sind die Kategorien „Wann ist etwas fertig?“ „Wann funktioniert etwas?“ schwammig - aber am Ende entscheide ich, wann dieser Moment ist.

Interessieren sich Deine Kunden für den Arbeitsprozess?

Klaus Effern - drinnen

Die Leute, die mich über die Jahre begleitet haben, haben in meiner Art des prozesshaften Arbeitens immer auch eine Qualität gesehen. So wurde diese bei den Reden zu meinen Ausstellungseröffnungen stets hervorgehoben und dem Publikum vermittelt aber es mag stimmen, dass am Ende das Produkt als solches zählt. Heute war der Direktor des Gerhard-Marcks-Haus, das Museum für Bildhauerei in Bremen, bei mir. Er ist einer der wenigen, die Ahnung von Bildhauerei haben und regelmäßig die Künstler und Künstlerinnen in ihren Ateliers besucht, um sich ihre Arbeitsweise und die Prozesse hin zum Kunstwerk anschauen. Ansonsten besucht mich aus diesem Bereich aber niemand in meinem Atelier. Tatsächlich habe ich mir bis heute auch noch nie Gedanken darüber gemacht, ob der Arbeitsprozess für die Käufer und Käuferinnen eine Rolle spielt, ob sie diesen wertschätzen. Am Ende hat das vermutlich mehr etwas mit den persönlichen Idealen zu tun, denn letztendlich ist das künstlerische Arbeiten nicht nur die Erstellung eines Werkes sondern hat immer etwas mit einem selbst zu tun. Einer meiner Freunde hat einmal gesagt, dass die Arbeit als Künstler immer auch ein Blick nach innen ist. Man arbeite an sich selbst, an der Frage, wer man wirklich ist und was für Skulpturen daraus entstehen.

Wie wichtig ist dein Atelier für dich?

Das ist sehr wichtig für mich. Ich habe öfter Kollegen, die überlegen aufzuhören, weil es mit der Kunst schwierig ist, man verdient kaum Geld, wird älter und vielleicht auch nicht mehr der Superstar der Kunstszene. Ich aber kann aus zwei Gründen nicht aufhören: Erst einmal übe ich mein Handwerk wirklich sehr gerne aus und zweitens gehe ich sehr gerne ins Atelier. Für mich ist das der Ort, an dem ich meine Kunst mache. Dieser Ort und meine Kunst, das gehört einfach zusammen. Wenn ich ein paar Wochen nicht ins Atelier gehe, weil ich viel in der Bildhauerwerkstatt der JVA arbeiten muss oder zu Hause viel los ist, dann merkt das meine Frau sofort und schickt mich ins Atelier zum arbeiten. Ich entspanne mich hier.

Klaus Effern - drinnen

Wie viel Zeit verbringst du in deinem Atelier?

Während meiner Studienzeit waren ich und meine Kollegen jeden Tag im Studienatelier. Wir hatten eine Art Arbeitsethos etabliert, der es uns praktisch nicht erlaubte, einen Tag nicht zu kommen. Darüber haben wir oft unsere anderen Leidenschaften vergessen. Seit 2002 arbeite ich mit einer 50 % Stelle in der Bildhauerwerkstatt des Vereins Mauern-öffnen im Gefängnis. Das heißt, ich bin die halbe Woche dort und ansonsten im Atelier. Oft ist die Arbeit so getaktet, dass ich zwei Wochen in der Bildhauerwerkstatt im Gefängnis arbeite und anschließend zwei Wochen frei habe. Es ist am ersten Tag nicht ganz einfach wieder in meine eigene Arbeit zu finden. Häufig quatsche ich dann ein bisschen mit meinem Freunde und merke, dass ich nicht so recht bei der Sache bin. Es braucht etwas Zeit, um wieder in meinem Atelier anzukommen.

Eine andere Sache ist die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern: Bei Bildhauern hört man die Arbeit natürlich immer. Deswegen ist es toll, wenn man sich das Atelier mit einem anderen Bildhauer teilt. Das ist eine Arbeitsatmosphäre wie bei den Autoschraubern: Das stimuliert mich mehr, als wenn hier absolute Ruhe herrschen würde. Die Familie ist mit den Jahren größer und wichtiger geworden. Die Wochenenden verbringe ich daher mit ihr.

Es gibt einen Bericht, in dem es heißt, dass nur etwa 10 % der Künstler und Künstlerinnen in Deutschland von ihrer Arbeit leben können. Was hältst du davon?

Von der Statistik her gehöre ich sicherlich zu den 10%, die von ihrer Arbeit leben können. Ich bin aber nicht als Künstler in der JVA angestellt, sondern als jemand, der mit den Gefangenen arbeitet. Natürlich würde ich gerne mehr Zeit haben, um an meiner Kunst zu arbeiten aber die Realität sieht anders aus: Die meisten Künstler haben mehrere Standbeine und Einnahmequellen. Ich würde gerne eine Statistik sehen, in der steht, wie viele Prozent der Künstler nur von ihrer künstlerischen Arbeiten leben können. Für Künstler ist es nicht einfach aber für Künstlerinnen ist es noch viel schwieriger – leider immer noch.

Aber vielleicht ist die Situation in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern gar nicht so schlecht?

Jammern gehört zum Geschäft. Aber natürlich weiß ich, dass es mir gut geht. Ich habe Glück mit meinem Verein und der Bildhauerwerkstatt, die seit Jahren meine sichere Bank ist. Ich habe gar keinen Grund mich zu beklagen.

Was ist Kunst für dich?

Für mich ist etwas Kunst, wenn es eine Ebene gibt, die mit der sonstigen Welt nichts zu tun hat. Es muss mehr sein als ein Objekt oder ein Produkt. Man muss es ansehen und in dem Moment denken: Du musst dein Leben ändern! Ich weiß gar nicht, wer diesen Satz gesagt hat aber das Werk muss einfach ein kleines Stückchen mehr sein als das, was man erklären kann. Es kann spirituell sein, es kann transzendental sein. Es muss einen Funken haben, eine Magie, was auf logische Art und Weise nicht ganz herstellbar ist. Das ist Kunst.


Text: Janine Ahmann

Bilder: Irving Villegas

Video: Nicolás Peláez

Janine Ahmann, geboren 1990, studierte Philosophie, Germanistik und Kulturpoetik der Literatur und Medien in Münster und Venedig sowie Deutsch als Fremdsprache über das Goethe Institut. Seit 2010 war sie in verschiedenen Positionen am Theater und an der Universität Münster tätig, kuratierte die Bereiche Musik und Bildende Kunst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen und war von 2020-2023 als Referentin der Intendantin an der Staatsoper Hannover beschäftigt. Seit Beginn ihres Studiums liegt ein Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Verfassen wissenschaftlicher, literarischer und journalistischer Texte. Zusammen mit Irving Villegas veröffentlichte sie zuletzt 2021 die Geschichte über die Einsamkeit während der Corona-Pandemie in Mexiko in der Chrismon.

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin. Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Chrismon, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.


Irving Villegas

Irving Villegas, geboren 1982 in Mexiko geboren, hat Fotojornalismus und Dokumentarfotographie an der Hochschule Hannover University of Applied Sciences and Arts studiert. Derzeit pendelt er zwischen Hannover und Berlin.Arbeiten von ihm wurden in verschiedenen Magazinen und Zeitungen wie etwa The New York Times, The Guardian, Der Spiegel, 6 mois, Huffington post, Fluter, Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlicht.

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